Sozialunternehmen, Genossenschaften, Bürgergesellschaften und Vereine leisten einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung einer gemeinwohlorientierten Versorgung in allen Lebensbereichen. Der Band untersucht anhand von Fallstudien zu Bürgerenergiegenossenschaften, solidarischer Landwirtschaft, Seniorengenossenschaften sowie Plattform-Kooperativismus, wie derartige Organisationen wirtschaften. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der vergleichenden empirischen Analyse der Verbundstrukturen in den unterschiedlichen Versorgungsbereichen. Im Zuge dessen wird deutlich, wie kooperatives Wirtschaften in der Zivilgesellschaft funktioniert und wie hierdurch Gemeinwohl gefördert wird.
Das Handlungsfeld der Bürgerenergie
Die Abbildung bietet eine schematische Darstellung des Handlungsfeldes Bürgerenergie, verortet im Versorgungsbereich Energie mit Berührungspunkten zum benachbarten Versorgungsbereich Mobilität. In der Mitte befindet sich die Bürgerwerke eG als zentrale Dachorganisation dieser Fallstudie, die eine echte Sekundärgenossenschaft ist. Innerhalb dieser sind einige Bürgerenergiegenossenschaften (Primärorganisationen) als Mitglieder abgebildet. Die Mitgliedsorganisationen kooperieren zudem im Rahmen der Bürgerwerke etwa in Arbeitsgruppen oder bei gemeinsamen Projekten, was durch die gestrichelten Kreise dargestellt wird. Die Bürgerwerke sind Teil des Handlungsfelds Bürgerenergie, das weitere Bürgerenergiegenossenschaften oder andere Bürgerenergieunternehmen umfasst, die nicht Mitglied bei den Bürgerwerken sind (weiße Kreise). Neben den Bürgerwerken gibt es weitere Netzwerke und Verbünde (abgebildet als Vielecke) – manche davon ausdrücklich und ausschließlich im Handlungsfeld Bürgerenergie und andere, die darüber hinausgehen. Die Berührungspunkte zwischen einzelnen Netzwerkorganisationen symbolisieren wechselseitige Mitgliedschaften oder Kooperationen untereinander. Das Handlungsfeld ist in die umfassendere soziale Bewegung für Energiewende und Klimaschutz eingeordnet, die neben der selbstorganisierten Energieversorgung auch andere Handlungsstrategien wie politischen Aktivismus verfolgt. Weitere soziale Bewegungen, insbesondere die Genossenschaftsbewegung, prägen das Feld der Bürgerenergie. Außerdem gibt es neben den Bürgerenergiegenossenschaften weitere Akteure, die im Handlungsfeld operieren. Privatwirtschaftliche Unternehmen, die teils auch als Genossenschaften firmieren, und kommunale Akteure arbeiten – häufig in Kooperationen mit Bürgerenergiegenossenschaften – ebenfalls daran mit, die Ziele der Bürgerenergiebewegung zu erreichen.
Das Handlungsfeld der Solidarischen Landwirtschaft
Handlungsfeld der Senior*innenselbsthilfe
Die Abbildung bietet eine schematische Darstellung des Handlungsfeldes der Senior*innenselbsthilfe, eingebettet in den Versorgungsbereich der gesundheitsbezogenen und sozialen Dienstleistungen. In der Mitte befinden sich die einzelnen Seniorengenossenschaften (Primärorganisationen), von denen einige in Netzwerken wie der ARBES organisiert sind. Weitere Verbände und Netzwerke überlappen sich teilweise mit dem Handlungsfeld der Senior*innenselbsthilfe. Die Überschneidungen symbolisieren Vernetzungen, Kooperationen, Unterstützungsangebote, aber auch komplementäre Wirtschafts- und Organisationsformen, die einen direkten Bezug zu Senior*innenselbsthilfe aufweisen. Außerhalb und mit Überschneidungen zum Feld finden sich private und öffentliche Gesundheitsdienstleister sowie politische Akteure wie Landesämter oder Ministerien und Kommunen. Das Handlungsfeld der Senior*innenselbsthilfe überschneidet sich mit weiteren Handlungsfeldern, von denen exemplarisch die Genossenschaftsbewegung abgebildet ist, da deren Geschäftsmodell die Entstehung und Umsetzung von gemeinschaftsgetragenen Selbsthilfeorganisationen maßgeblich beeinflusst. Da noch keine Dachorganisation besteht, finden sich in der Abbildung keine Mitglieder einer solchen.
Das Open Food Network im Handlungsfeld der landwirtschaftlichen Direktvermarktung
Die Abbildung bietet eine schematische Darstellung des Handlungsfeldes der (plattformbasierten) landwirtschaftlichen Direktvermarktung. In der Mitte der Darstellung befindet sich das Open Food Network (dunkelgrüne Fläche), innerhalb dessen beispielhaft einzelne Mitgliedsorganisationen, die sogenannten Instanzen, abgebildet sind. Diese nationalen Instanzen werden in der Regel durch andere Akteure betrieben und/oder verwaltet. Der rechtliche Träger der deutschen Instanz beispielsweise ist seit 2020 eine junge Genossenschaft, die Hof Homann eG, deren Gründer Projekte im Bereich Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Landwirtschaft initiiert – und dessen Organisation damit sowohl innerhalb des Open Food Network wie auch außerhalb zu verorten ist. Das Open Food Network strebt die Gründung kontinentaler Verbindungsinstanzen an. Beispielhaft zu nennen ist hier das Open Food Network Europa (gestrichelter Kreis). Neben dem Open Food Network umfasst das Handlungsfeld landwirtschaftliche Direktvermarktung (hellgrüne Fläche) weitere Dach- und Netzwerkorganisationen (abgebildet als Vielecke), die darauf abzielen, Verbindungen zur übergeordneten alternativen Ernährungsbewegung herzustellen. So besteht bspw. Austausch zwischen dem Open Food Network und dem Bundesverband der Regionalbewegung, den Regionalwert-Arbeitsgruppen und den Ernährungsräten. Von besonderer Bedeutung ist hier das Data Food Consortium, das vom Netzwerk mitgegründet wurde und in dem mit unterschiedlichen Stakeholdern aus dem Bereich des digitalen Lebensmittelvertriebs sektorspezifische Interoperabilitätsstandards für Plattformen erarbeitet werden. Wirft man einen Blick auf die Einbettung der alternativen Ernährungsbewegung wird deutlich, dass sich diese mit weiteren Bewegungen überschneidet. Zu nennen sind hier exemplarisch die Commons-Bewegung, die Open-Source-Software-Bewegung sowie die Micro-Farming-Bewegung, deren Perspektiven und Geschäftsmodelle die Entstehung und Umsetzung von plattformbasierten Direktvermarktern maßgeblich beeinflussen. An der Schnittstelle der sozialen Bewegung und dem übergeordneten Versorgungsbereich der Ernährung und Landwirtschaft (äußerster Kreis) finden sich zuletzt sowohl privatwirtschaftliche Akteure (v.a. die „Marktschwärmer“ sowie die Onlineshops diverser Supermarktketten), Dachorganisationen aus verwandten Handlungsfeldern wie das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft als auch politische Akteure wie Kommunen.
CoopCycle in den Handlungsfeldern Essenslieferung und Letzte-Meile-Logistik
Die Abbildung bietet eine schematische Darstellung der Handlungsfelder Essenslieferung und Letzte-Meile-Logistik. In der Mitte der Darstellung befindet sich die zentrale Dachorganisation CoopCycle (dunkelgelbe Fläche), innerhalb derer beispielhaft einzelne Mitgliedsorganisationen, die sogenannten Instanzen, abgebildet sind. Neben CoopCycle umfassen die Handlungsfelder Essenslieferung und Letzte-Meile-Logistik (hellgelbe Fläche) weitere Dach- und Netzwerkorganisationen (abgebildet als Fünfecke), die vor allem darauf abzielen, Verbindungen zu den übergeordneten sozialen Bewegungen herzustellen, in die diese beiden Handlungsfelder eingebettet sind. So pflegen einzelne Primärorganisationen Beziehungen zu alternativen Gewerkschaften wie der Freien Arbeiter Union (FAU) oder zur Union Co-op. Andere Primärorganisationen wiederum sind stärker in der Umwelt- und Klimaschutzbewegung vernetzt und haben folglich engere Verbindungen zur „Bio-Szene“, zum Beispiel zu den Regionalwert-AGs. Auch das Engagement in politischen Prozessen zur Umsetzung der Klimaziele stellt einen zentralen Bezugspunkt dar. Von besonderer Bedeutung ist hier der Radlogistikverband Deutschland – eine Interessensvertretung für kleine und mittelständische Unternehmen im Feld. Auch die Genossenschaftsbewegung und die Bewegung des Plattform-Kooperativismus spielen eine zentrale Rolle für die Dachorganisation. So bestehen enge Beziehungen zwischen der Dachorganisation CoopCycle und dem Platform Cooperativism Consortium, auf dessen Konferenzen das CoopCycle-Projekt vielfach prominent vorgestellt wurde. Wirft man zuletzt einen Blick auf die ökonomische Einbettung von CoopCycle in dem übergeordneten Versorgungsbereich Logistik (äußerster Kreis), wird deutlich, dass die Primärorganisationen in Deutschland größtenteils in Marktsegmenten operieren, in denen andere Anbieter bereits dominieren. Konkurrenzsituationen zu plattformbasierten und konventionellen Anbietern bestehen dabei sowohl im FoodTech/Essenslieferdienst-Bereich (Lieferando, UberEats), wie auch im (Letzte-Meile)-Logistikbereich (DHL, Hermes, Amazon).