Kooperatives Wirtschaften – was bedeutet das? Das Projekt Teilgabe möchte dies konzeptionell herausarbeiten: Welche Annahmen werden in Forschung und Literatur getroffen? Welche Begriffe sind verbreitet und wie sind sie definiert? Für diese Theoriearbeit setzen wir uns mit den zentralen Diskurssträngen zu Zivilgesellschaft, Genossenschaften und Sozialunternehmertum auseinander, die bereits Aspekte zivilgesellschaftlichen Wirtschaftens erfassen.
Im ersten Schritt sammeln und bestimmen wir die jeweiligen Kernbegriffe der einzelnen Stränge. Im zweiten Schritt untersuchen wir, welche Merkmale genossenschaftlichen Wirtschaftens mit dem Diskurs zum Sozialunternehmertum korrespondieren. So wachsen wir konzeptionell über die einzelnen Diskursstränge hinaus und erreichen eine allgemeine Definition von kooperativem Wirtschaften für das Gemeinwohl.
Einerseits trägt dieser breitere Ansatz sich verändernden Phänomenen Rechnung: etwa dass Genossenschaften sich dem Social Entrepreneurship zuordnen oder dass informell genossenschaftlich organisierte Initiativen aus der Zivilgesellschaft entstehen. Andererseits dient die Theoriearbeit auch dazu, das Konzept bzw. die Idee kooperativen Wirtschaftens für das Gemeinwohl für die empirische Forschung zu operationalisieren: Wie werden beispielweise demokratische Teilhabe, geteiltes Eigentum und solidarische Kooperation in der Praxis umgesetzt?
Die Reflexion der Konzepte ist projektbegleitend angelegt, sodass die Erkenntnisse aus den empirischen Fallstudien auf die theoretischen Überlegungen und Neubestimmungen zurückwirken. Der Forschungsprozess ist somit iterativ angelegt und trägt zur Weiterentwicklung der abstrakten Merkmale durch die konkreten Fallstudien bei.
Die theoretische Arbeit in Teilgabe basiert auf den folgenden drei Annahmen:
Zivilgesellschaft und Wirtschaft
Zivile Formen des Wirtschaftens haben Demokratie-, Solidaritäts-, Emanzipations-, Nachhaltigkeits- und Gemeinwohlansprüche. Ihre Entstehung lässt sich besser verstehen, wenn Zivilgesellschaft und Wirtschaft nicht als getrennte Sektoren oder Systeme behandelt werden, sondern wenn von gelebten zivilgesellschaftlichen Praktiken ausgegangen wird (Teilgabe), die auch ökonomische Qualitäten aufweisen können (kooperatives Wirtschaften).
Zivilgesellschaftliches Wirtschaften und Gemeinwohl
Bestimmte Formen zivilgesellschaftlichen Wirtschaftens können unter zwei Voraussetzungen als gemeinwohlorientiert bezeichnet werden:
Gemeinwohlorientiertes zivilgesellschaftliches Wirtschaften und Erfolg
Lokale Initiativen zivilgesellschaftlichen Wirtschaftens haben dann eine Chance auf organisatorische Stabilität, ökonomische Relevanz und gesellschaftliche Breitenwirkung, wenn es ihnen gelingt, kollektive Organisationsstrukturen mit unterstützenden Gemeinschaftsleistungen aufzubauen. Dies leisten etwa Dachorganisationen wie Sekundärgenossenschaften, denen andere Genossenschaften als Mitglieder angehören. Solche Dachgenossenschaften können Einzelorganisationen auf vielfältige Weise unterstützen. Auch als Vereine oder Netzwerke ohne formale Struktur unterstützen zivilgesellschaftliche Akteure. Wie erfolgreich Vernetzungsstrukturen sein können, hängt von externen Rahmenbedingungen ab, wie zum Beispiel politischer Regulierung oder den Strukturmerkmalen des jeweiligen Sektors. So kann ein hohes Maß an Werteorientierung oder ideeller Aufladung der Tätigkeiten den internen Zusammenhalt zwar stärken, die Vernetzung mit anderen Akteuren hingegen erschweren.
Der Aufbau von Vernetzungsstrukturen ist ein zentrales Transferziel des Projekts Teilgabe: Er wird sowohl aus analytischer Perspektive betrachtet – wie unterstützen Dachorganisationen kooperatives Wirtschaften? – als auch in der Praxis umgesetzt. Mit dem Wissen der Forschungsarbeit soll ein Prototyp einer Dachorganisation für die unterstützende Vernetzung von Organisationen im Bereich der gemeinschaftlichen Selbsthilfe von Senior:innen entwickelt werden.