Ziel des „Teilgabe“-Projekts war es, ein neues Verständnis von „kooperativem Wirtschaften für das Gemeinwohl“ zu erarbeiten. Grundlage hierfür ist die Auseinandersetzung mit den zentralen Diskurssträngen zu Zivilgesellschaft, Genossenschaften und Sozialunternehmertum, die bereits Aspekte zivilgesellschaftlichen Wirtschaftens erfassen. Hier stellen wir sie vor:
Ein besonderer Unternehmenstyp, in der Zivilgesellschaft wirtschaftet, ist die Genossenschaft. Sie ist durch ihre doppelte Natur als Personenvereinigung und Gemeinschaftsbetrieb gekennzeichnet und vereint die unternehmerische Tätigkeit und bürgerschaftliches Engagement. Genossenschaften ermöglichen nachhaltiges Wirtschaften und sozial verantwortliches Handeln und bieten damit langfristige Sicherheit und Stabilität in vielen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft. Aufgrund ihrer Sinn- und Struktureigenschaften wird die Genossenschaft als ein Unternehmenstyp angesehen, der prädestiniert dafür ist, Innovationsbeiträge zu leisten, um aktuelle und zukünftige Herausforderungen kooperativ zu bewältigen. In diesem Projekt wurden Genossenschaften auf ihre Fähigkeit hin analysiert, Ressourcen und Kompetenzen lokal und in der Region zu bündeln, um in genossenschaftlicher Selbsthilfe Akteur:innen mit ihren gemeinsamen Zielen zu organisieren. Dabei wurden vor allem das Selbstverständnis und das praktische Handeln im Bezug zur Vernetzung und zu strukturbildenden Ansätzen für die Gestaltung des Gemeinwesens durch Genossenschaften einer tiefgehenden Analyse unterzogen.
Der Begriff des Sozialunternehmertums (zumeist Englisch als Social Entrepreneurship bezeichnet) ist erst seit einigen Jahren in der Diskussion. Damit werden häufig Organisationsformen beschrieben, die auf innovative Art und Weise Lösungen für soziale Probleme anstreben und damit (auch) auf die Schaffung oder Wiederherstellung von Gemeinwohl abzielen. Sozialunternehmerische Ansätze fokussieren vor allem darauf, soziale Innovationen zu fördern und ihren Wirkungsradius (u.a. durch Rückgriffe auf marktorientierte Strategien) zu vergrößern. Da diese Organisationen dabei Merkmale verbinden, die in der Regel mit der Zivilgesellschaft wie auch mit dem Markt assoziiert werden, charakterisiert die gegenwärtige Forschungsliteratur sie häufig als Hybride, die sich keinem der drei Sektoren Staat, Markt oder Zivilgesellschaft eindeutig zuordnen lassen. Die zivilgesellschaftlichen Qualitäten solcher innovativen Organisationsformen werden in Ansätzen wie „public entrepreneurship“ oder „Bürgerunternehmertum“ betont. Sie bezeichnen Praktiken, die neue Teilhabemöglichkeiten für Menschen schaffen und institutionalisieren. Die spezifisch zivilgesellschaftlichen Qualitäten des Sozialunternehmertums standen bei empirischen Untersuchungen bislang nicht im Vordergrund. Deshalb hat das Projekt untersucht, welche Effekte genossenschaftsartige Ansätze des Sozialunternehmertums in unterschiedlichen Versorgungsbereichen mit sich bringen und wie diese Wirkungen aus zivilgesellschaftlicher Perspektive vergleichend beurteilt werden können. Dabei war insbesondere die Frage von Interesse, wie Sozialunternehmertum zur Entstehung, Veränderung und dem Verschwinden von Institutionen beiträgt und welche Strategien (Institutional Entrepreneurship) dafür verwendet wurden.
Im vielschichtigen Begriff der Zivilgesellschaft verschmelzen Zustandsbeschreibungen, normative Wertungen und Zukunftsentwürfe. Er lässt sich gemeinhin in drei verschiedenen Dimensionen fassen, die sich teils überlappen, teils aber miteinander konfligieren: als ein Bereich der Gesellschaft, als Handlungsform sowie als Utopie. Gemeinhin wird Zivilgesellschaft als ein Bereich der Gesellschaft verstanden, der weder den Prinzipien staatlicher Institutionen folgt, noch der wirtschaftlichen Logik des Marktes unterliegt oder der Privatheit zugeordnet werden kann. Zivilgesellschaft umfasst jenen öffentlichen Raum, welcher von jeglichen Formen freiwilliger Assoziationen von Bürger:innen besetzt wird. In Abgrenzung zum häufig verwendeten Sektorenmodell, das die Zivilgesellschaft neben dem Staat und der Marktwirtschaft als Dritten- bzw. Non-Profit-Sektor subsumiert, kann Zivilgesellschaft auch als eine spezifische Handlungsweise verstanden werden, die keinen starren Sektorengrenzen unterliegt. Eines der Hauptmotive zivilgesellschaftlichen Handelns ist die demokratisch-deliberative und konsensorientierte Aushandlung eines Gemeinwohls, zu dessen Zweck sich gemeinschaftlich engagiert wird. Zu den inhärenten Normen, an denen sich dieses Engagement orientiert, zählen Pluralismus, Toleranz, Gewaltfreiheit, Vertrauen, Kooperation, Freiheit und Demokratie. Ziel ist es, diese Werte nicht nur innerhalb zivilgesellschaftlicher Assoziationen zu kultivieren, sondern auch darüber hinaus als allgemeine Handlungsweise in andere Gesellschaftsbereiche zu verbreiten. Zivilgesellschaft wird seit jeher als ein utopisches Projekt verstanden, in dem freie Bürger:innen selbstorganisiert auf die praktische Verwirklichung des Versprechens einer demokratischeren, freieren und gerechteren Gesellschaft - kurz: einer guten Gesellschaft - hinarbeiten. Den institutionellen Kern der Zivilgesellschaft bilden Vereine und Verbände, aber auch kooperative Wirtschaftsorganisationen wie Genossenschaften. Zivilgesellschaftliches Wirtschaften soll daher als gemeinschaftliches Handeln verstanden werden, das gemeinwohlorientierte Zwecke verfolgt und nicht den profitwirtschaftlichen Motiven des Marktes untergeordnet ist. In einem engen Verständnis sind zivilgesellschaftliche Wirtschaftsformen auch nach innen, also in den Strukturen ihrer Assoziationen, demokratisch organisiert. Die zivilgesellschaftliche Wirtschaftsweise wird getragen von freiwilligen, kreativen Vorleistungen, die in Form von Gaben Eigennützigkeit hinter das Wohl anderer bzw. eines Allgemeinwohls zurückstellen.